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Q: Das unbekannte Fieber

© Susanne Jutzeler

Q: Das unbekannte Fieber

Seit mehr als 80 Jahren – wahrscheinlich jedoch länger – zirkuliert fast weltweit eine Infektionskrankheit, die allerdings in der Öffentlichkeit bislang wenig bis keine Beachtung findet: das Q-Fieber. Dabei belegen die Infektionswege besonders deutlich, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen Veterinärmedizin, Humanmedizin und Gesundheitsinstitutionen ist. Innerhalb des Forschungsnetzes Zoonotische Infektionskrankheiten befasst sich der interdisziplinäre Verbund Q-GAPS mit dem Erreger Coxiella burnetii.

 

„In Tailfingen grassiert das Q-Fieber“, titelt am 16. August 2019 der Schwarzwälder Bote. Tailfingen ist ein Teil des 45.000-Einwohner-Ortes Albstadt, gelegen auf der Schwäbischen Alb. Bis Ende August stecken sich mindestens 70 Personen mit dem Erreger an. Bei einigen Infizierten ist der Krankheitsverlauf schwer, eine Lungenentzündung tritt in Erscheinung. Mitte September werden bereits keine neuen Fälle mehr registriert. Das Infektionsgeschehen ist zu Ende. Die Quelle des Auslösers kann nicht ausgemacht werden. Mehr als 17.000 Schafe von 221 Schafhaltern grasen regelmäßig um den Ort herum.

Immer wieder kommt es zu lokalen Ausbrüchen des Q-Fiebers wie dem in Albstadt-Tailfingen. Und immer wieder zeigt sich dabei der zoonotische Charakter der Erkrankung.

Erstmals beschrieben wurde das Q-Fieber 1935 von dem australischen Pathologen Edward Holbrook Derrick. Erst ein Jahr zuvor hatte er seine neue Stelle als Leiter des Labors für Mikrobiologie und Pathologie des Queensland Health Departments angetreten. Unter Schlachthausmitarbeitern in Brisbane war eine bislang unbekannte Fieber-Erkrankung ausgebrochen, die Derrick wissenschaftlich beschrieb und deren Erforschung er sich in den folgenden Jahren widmete. Da er nicht wusste, mit welchem Erreger er es hier zu tun hatte, nannte er die Erkrankung zunächst einfach „Q-Fever“. Das Q stand dabei nicht etwa für Queensland, sondern für das englische Wort query, übersetzt als „fraglich“. Damit sollte der unbekannte Ursprung betont werden. Der Name blieb auch bestehen, nachdem der australische Virologe und spätere Nobelpreisträger Frank Macfarlane Burnet den Erreger 1937 aus einem von Derricks Patienten isolieren konnte. Ein Jahr später entdeckte der US-amerikanische Bakteriologe Herald Rea Cox den Erreger in Zecken in Montana. Der von Derrick gegebene Name der Erkrankung blieb weiterhin bestehen, was neu hinzukam war der Name des Erregers, der sich aus den Namen seiner Entdecker zusammensetzt: Coxiella burnetii. Damit war auch klar: Das Q-Fieber wird von einem Bakterium ausgelöst.

Coxiella burnetii ist ein strikt intrazelluläres gram-negatives, gedrungenes, stäbchenförmiges Bakterium, es ist für seine Vermehrung also auf die Zellen des Wirtes angewiesen.  Es wird zwischen zwei Stadien unterschieden: der "small-cell variant" (SCV) und der "large-cell variant" (LCV). Die SCV ist eine sporenartige Überdauerungsform des Bakteriums. Bis zu 40 Monate bleibt es so etwa in Heu, Staub oder Wolle außerhalb von Zellen überlebensfähig – und infektiös. Die LCV  ist die stoffwechselaktive. Hier liegt das Bakterium in seiner intrazellulären und vermehrungsfähigen Form vor.

Für die Übertragung des Erregers auf den Menschen sind vor allem Schafe, Rinder und Ziegen von Bedeutung. Diese können zwar das Bakterium in sich tragen, zeigen jedoch in den meisten Fällen keine Erkrankungssymptome. Indizien für eine Infektion der Tiere können Fehl- und Totgeburten sein, denn der Erreger siedelt sich vorzugsweise in Uterus und Milchdrüsengewebe an. Scheiden die Tiere den Erreger aus, kann es über Aerosole zur Infektion beim Menschen kommen. Neben Kot und Urin der Tiere sind in besonderem Maße Geburtsflüssigkeiten und -material, wie die Plazenta, hochinfektiös. Trocknen die Ausscheidungen, können die Erreger über staubhaltige Aerosole in die Atemwege des Menschen gelangen, was auch den häufigsten Übertragungsweg darstellt. Über den Staub kann der Erreger wiederum mit dem Wind verbreitet werden. In einem Umkreis von zwei Kilometern um die Tierställe konnten so bereits Infektionen bei Menschen nachgewiesen werden, die keinen näheren Kontakt zu den Tieren hatten. Aber auch Übertragungsentfernungen von zehn Kilometern wurden schon beschrieben. Bei allen eingetrockneten Materialien ist zu bedenken, dass der Erreger aufgrund seiner stabilen Dauerform (SCV) mehrere Monate lang ein Infektionsrisiko für die Umgebung darstellen kann.

Reservoirtiere von Coxiella burnetii sind insbesondere Wiederkäuer (Rinder, Schafe und Ziegen). Die Rolle von Zecken bei der Übertragung von C. burnetii ist nicht vollständig geklärt. Es wird aber angenommen, dass der abgesonderte und getrocknete Kot von C. burnetii-infizierten Zecken im Fell von Wiederkäuern hoch infektiös für die Umgebung ist. Bereits winzige Mengen können eine Infektion verursachen.

Der Forschungsverbund Q-GAPS – 'Q fever GermAn Interdisciplinary Program for reSearch' – nimmt sich den vielen Unbekannten rund um die Verbreitung, Infektion und Erkrankung an. Die Arbeitsschwerpunkte vereinen die Bereiche Epidemiologie, Immunologie, Pathogenese, Überwachung und Kontrolle. Ziele sind unter anderem die Erstellung einer interaktiven Datenbank und die Etablierung einer Q-Fieber-Leitlinie. Dabei sollen auch Fragen wie etwa nach der genauen Rolle der Zecken, der Interaktion des Erregers mit den verschiedenen Wirten oder der verbesserten Diagnose der Erkrankung bearbeitet werden. Denn gerade die Diagnose beim Menschen erweist sich oft als schwierig.

50 Prozent der Infektionen beim Menschen verlaufen asymptomatisch oder sehr mild. Bei den an Q-Fieber Erkrankten gleichen die Symptome nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Wochen zunächst denen der Grippe: Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen und hohes Fieber. Hinzu können Schüttelfrost, Husten, Verwirrtheit, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen. Die grippeähnlichen Symptome der ersten Tage sind es auch, die eine Q-Fieber-Diagnose für den Hausarzt erschweren. Das Fieber der Erkrankten kann allerdings bis zu 14 Tage anhalten. Im weiteren Verlauf kommt es bei zehn bis 20 Prozent zu einer Lungen- oder Leberentzündung – oder auch zu beidem. Die Letalität der akuten Erkrankung ist gering und liegt bei unter einem Prozent. Bei Schwangeren kann sich durch die Infektion das Risiko für eine Fehlgeburt erhöhen. Das akute Q-Fieber ist durch Antibiotika gut behandelbar. Dennoch kann es nach der akuten Erkrankung zu einem sogenannten Post-Q-Fieber-Müdigkeitssyndrom mit unter anderem Fatigue, Konzentrationsstörungen, Nachtschweiß und Muskelschmerzen kommen. Auch eine chronische Verlaufsform des Q-Fiebers ist möglich, die ca. ein Prozent aller Infizierten entwickeln. Dabei kann es zu einer Entzündung der inneren Herzhaut (Endokarditis) kommen, die trotz Therapie einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen kann.

Nach einer überstandenen Infektion verschwinden die Bakterien nicht zwangsläufig aus dem menschlichen Organismus. Sie können sich auch dauerhaft festsetzen – in den Fresszellen des Immunsystems. So kann es zu einem späteren Zeitpunkt zu ihrer Reaktivierung kommen.

Die Beständigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen sowie die niedrige Infektionsdosis und Verbreitungsmöglichkeit als Aerosol hat Coxiella burnetii auch für die biologisch-militärische Forschung interessant gemacht. So war der Erreger fester Bestandteil der Biowaffenforschungsprogramme während des Kalten Krieges sowohl auf amerikanischer als auch auf russischer Seite.

Neben seiner Eingruppierung in die Risikogruppe 3 der Biostoffe, zu der auch etwa Pest und Milzbrand gehören, wird Coxiella burnetii auch als potenzieller bioterroristischer Erreger durch die 'Centers for Disease Control and Prevention' (CDC) eingestuft.

 

Quellen:

  • https://tierseucheninfo.niedersachsen.de/startseite/meldepflichtige_tierkrankheiten/q_fieber/q-fieber-185272.html
  • https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/DE/Kompetenzzentren_Netzwerke/QFieber/Seiten/default.aspx
  • https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/infektionskrankheiten/rickettsien-und-verwandte-erreger/q-fieber
  • https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Q-Fieber.html#doc2398338bodyText5
  • https://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/q_fieber-5013.html
  • https://www.fli.de/de/institute/institut-fuer-bakterielle-infektionen-und-zoonosen-ibiz/referenzlabore/nrl-fuer-q-fieber/
  • https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3949614/

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