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COVID-19: Das Team war schon da

Source: https://phil.cdc.gov/ ; Photo Credit: Awadh Mohammed Ba Saleh

COVID-19: Das Team war schon da

Bisher war die deutsche Strategie im Umgang mit der COVID-19-Pandemie eine Erfolgsgeschichte – vor allem, wenn man die Situation hierzulande mit der in einigen europäischen Nachbarländern vergleicht. Neben den politischen und medizinischen Maßnahmen lässt sich dieses Ergebnis womöglich auch mit einem der Forschungsverbünde im Forschungsnetz Zoonotische Infektionskrankheiten erklären: RAPID.

 

Dass der Verbund schon vorhanden war, in der Forscher aus Berlin und München, Göttingen und Bern, Gießen und Hannover arbeiten und sich schnell und unkompliziert austauschen konnten, ist letztlich ein Glücksfall. Aber der Name ist eigentlich Hinweis genug: RAPID, Risk Assessment in Prepandemic respiratory Infectious Diseases, Risikobewertung bei präpandemischen respiratorischen Infektionskrankheiten. Als Modellvirus diente insbesondere das humanpathogene Coronavirus, welches das „Middle East Respiratory Syndrome“ auslöst – MERS-CoV. Der Erreger wurde 2012 entdeckt und ist neben SARS-CoV und SARS-CoV-2 eine Virusspezies innerhalb der gleichen Gattung. Bis heute gibt es keine spezifische Behandlung gegen MERS und rund dreißig Prozent der gemeldeten Infizierten sterben an einer schweren Lungenentzündung. Weil sich MERS-CoV genetisch verändern könnte, könnte eine der nächsten Veränderungen dazu führen, dass das Virus leichter von Mensch zu Mensch übertragen wird. Ein infizierter Reisender aus dem arabischen Raum, wo das Virus immer wieder zirkuliert und von infizierten Dromedaren auf den Menschen übertragen wird, könnte dann eine Infektionskette auslösen, die zu einer Pandemie führt. Und so war das ursprüngliche Ziel des Forschungsverbundes RAPID mit Prof. Christian Drosten als Koordinator die Erforschung des Coronavirus MERS-CoV. Weil darüber hinaus im Verbund an einem Impfstoff gegen MERS gearbeitet wird, war RAPID, seit 2017 gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, bereits einsatzbereit, als eine andere Pandemie Deutschland traf: COVID-19. Schließlich wird die gesamte Grundlagenforschung durch den Verbund abgedeckt.

So sagt etwa Prof. John Ziebuhr vom Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, dass die „nahe Verwandtschaft von SARS-CoV und SARS-CoV-2 untereinander und mit einer Reihe animaler Coronaviren“, also Coronaviren, die in Tieren vorkommen, die Notwendigkeit unterstreiche, „dass sich zukünftige Forschungsaktivitäten verstärkt auf Untersuchungen ganzer Virusspezies konzentrieren sollten“, und nicht nur einzelner Varianten dieser Spezies. Nur so könne man auf künftige Pandemien besser vorbereitet sein, „weil sich daraus wichtige Erkenntnisse zur Biologie und Pathogenität in bestimmten Wirten“ gewinnen lasse. „Wenn man es etwas überspitzt formulieren will“, sagt er, „dann ist SARS-CoV-2 nicht neu, sondern eine neue Variante eines Virus, das wir schon kennen.“ Offensichtlich brauche es wenig, um den Wirtswechsel, der vermutlich ausgehend von einer Fledermaus über einen Zwischenwirt auf den Menschen stattgefunden hat, zu vollziehen. Die biologische Ähnlichkeit, die es bei beiden SARS-Viren gebe, sei so stark ausgeprägt, dass man die Informationen, die es bereits über SARS-CoV gäbe, auch bei SARS-CoV-2 benutzen könne. „Deswegen müssen wir schauen, was beide Spezies gemeinsam haben.“ Dass das Erbgut ähnlich sei, bedeutet nicht, dass der Krankheitsverlauf ähnlich ist oder die Auswirkungen für den Wirt. Dennoch: „Wir müssen aufhören jedes Virus für sich zu betrachten.“ Nur auf das Krankheitsbild zu schauen, sei einerseits biologisch nicht korrekt. Andererseits könne man das zoonotische Potenzial von Erregern besser abschätzen, wenn man Viren als Spezies betrachte.

Und obwohl MERS-CoV eine andere Virusspezies ist: Für das neue Coronavirus SARS-CoV-2 gilt, was auch auf MERS-CoV zutrifft und letztlich für alle Erreger gilt: um zu reagieren benötigen Politik und Gesundheitsämter belastbare Einschätzungen über den Erreger einer Seuche. MERS-CoV galt für RAPID auch als Modellvirus um pandemische Risiken zu bewerteten. Werden im Forschungsnetz Zoonotische Infektionskrankheiten ohnehin Human- und Veterinärmedizin unter dem One Health-Aspekt zusammengeführt, einem Ansatz, der Human- und Tiermedizin verbindet und Gesundheitsvorsorge mit dem Umweltschutz verbindet, so gilt das für RAPID ganz besonders: Der Verbund arbeitet an Diagnose, Therapie und Impfung gleichzeitig – in dem etwa Untersuchungen auf Genom-, Protein- und Zellebene durchgeführt werden, aber ebenso auf Organ- und Organismusebene. Die Interaktion zwischen Virus und Wirt soll besser verstanden werden, damit die Grundlagenforschung schnell in den klinischen Alltag und die Praxis übersetzt werden kann.

So beschäftigt sich etwa Prof. Volker Thiel vom Institut für Virologie und Immunologie der Universität Bern in mehreren Studien mit der Temperaturstabilität von SARS-CoV-2. Die Oberflächenstabilität des Virus, so das Ergebnis einer der Studien, weißt sowohl bei 4 Grad Celsius, als auch bei 30 Grad Celsius keine großen Unterschiede auf. Die Daten legen somit nahe, dass auch höhere Temperaturen SARS-CoV-2 nicht unbedingt inaktivieren – was schlicht bedeutet, dass im Sommer eben nicht automatisch ein besonderer Rückgang der Infektiosität erwartet werden darf.

Andere Daten legen dagegen nahe, dass sich das neue Coronavirus SARS-CoV-2 im Rachen effizient vermehrt. Die Daten helfen, das Risiko einer Übertragung und Verbreitung der Infektionskrankheit besser einzuschätzen. Der Verbund RAPID betreibt so zwar Grundlagenforschung - die allerdings ganz konkret aktuelle Fragen adressiert. So beschäftigt sich etwa eine Gruppe um Privatdozent Albrecht von Brunn vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung der LMU München mit dem Zusammenspiel von Virus- und Wirtszellproteinen hinsichtlich der Vermehrung des Virus bzw. mit einer Möglichkeit diese zu stoppen. Es ist ein naheliegender Angriffspunkt für die Therapie. Wieder andere Forscher, etwa die Gruppe von Prof. Stefan Pöhlmann vom Leibniz-Institut für Primatenforschung aus Göttingen, forschen am Eintrittsmechanismus des Virus in die Zelle. Die Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass die zelluläre Protease Furin, ein Enzym, welches ein SARS-CoV-2 Oberflächenprotein spaltet, letztendlich dafür sorgt, dass das Virus in menschliche Lungenzellen eindringen kann. Im Vergleich zum Vorgängervirus SARS-CoV ist das eine Mutation, die das Virus optimiert und damit eine schnellere Ausbreitung des Virus von Zelle zu Zelle ermöglicht. Die Ergebnisse der Studie sind wesentlich, um die Infektiosität des Virus zu verstehen - und können möglicherweise mittelfristig genutzt werden, um eine Therapie dagegen zu finden.

Die Grundlagenforschung die der RAPID-Verbund betreibt, ist so einerseits mittelbar an der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beteiligt und ermöglicht andererseits einen Ausbruch präpandemischer Viren früher zu erkennen, also Viren zu identifizieren, aus denen eine zukünftige Pandemie entstehen könnte.

Koordinationsbüro

c/o Institut für Virologie Charité - Universitätsmedizin Berlin
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