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Workshop Klimawandel und Zoonosen – zukünftige Herausforderungen - ein Nachbericht

Der Klimawandel wird viele Bereiche unseres Lebens in den nächsten Jahren beeinflussen. Das gilt auch für die Verbreitung von Infektionskrankheiten und Vektoren. In der Bewältigung dieser zukünftigen Herausforderungen werden sowohl die Wissenschaft als auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) gefordert sein. Aus diesem Grund richtet die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen gemeinsam mit der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf eine Workshopreihe zum Thema „Klimawandel und Zoonosen“ aus. In zwei Expertenvorträgen im ersten Teil der Reihe von Prof. Carl Beierkuhnlein (Universität Bayreuth) und Prof. René Gottschalk (Gesundheitsamt Frankfurt a.M.) wurde der Frage auf den Grund gegangen, was der Klimawandel in Hinblick auf die Verbreitung und das lokale Risiko von Infektionskrankheiten bedeuten könnte.

Das Interesse am Thema war hoch. An dieser Stelle war das aufgrund der Pandemie notwendige Onlineformat eine Chance die knapp 100 Teilnehmenden aus ganz Deutschland im virtuellen Raum zusammenbringen zu können.

Klima, Landnutzung und Infektionskrankheiten

Den Einstieg in das Thema gab Prof. Carl Beierkuhnlein. Der Inhaber des Lehrstuhls für Biogeografie an der Universität Bayreuth forscht bereits seit Jahren zur Ausbreitung vektorübertragener Infektionskrankheiten unter veränderten Klimabedingungen. In seiner Einleitung zeigte Herr Beierkuhnlein auf, dass bereits in der Vergangenheit Belege für einen Zusammenhang von Klima, Landnutzung und Infektionskrankheiten, zu finden seien. Auch im heutigen Kontext eines anthropogenen Klimawandels und eines Biodiversitätsverlust durch Landnutzung sei mit veränderten Ausbreitungsprofilen von Vektoren und Pathogenen zu rechnen. Im Vergleich zur Vergangenheit hat jedoch die Vernetzung der Welt stark zugenommen. Dies habe zur Folge, dass die Zeitskala für Veränderungen nun eine andere sei. Ein Pathogen oder ein Vektor kann mittlerweile innerhalb kürzester Zeit um die Welt reisen. Das beschleunigt die Prozesse immens. Dies könne zum Beispiel an internationalen Häfen oder Flughäfen gesehen werden, die als Einfalltor für verschiedene invasive Arten und Pathogene fungieren können. In Zukunft könnten beispielsweise das Dengue-Fieber, das West-Nil-Fieber, das Usutu-Virus oder aber auch die Leishmaniose ein Problem in neuen Regionen der Welt werden.

Modellierung zukünftiger Szenarien

Um Klima- und Erregerdaten miteinander verbinden zu können, erstellen Prof. Beierkuhnlein und sein Team Modelle, die korrelative Umweltmodelle mit epidemiologischen Modellen verknüpfen. Die Verbindung erlaube es neue Risikoeinschätzungen zum Auftreten von Infektionskrankheiten zu erstellen. Ein Beispiel ist BayVirMos, welches sich mit Stechmückenübertragenen Krankheiten in Bayern beschäftigt. Im besten Fall können Ärzte diese Daten für die Diagnostik nutzen, um das Risiko bestimmter Infektionskrankheiten an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit besser einschätzen zu können. Auch wenn ein Modell nicht als eine Zukunftsvorhersage missverstanden werden sollte, kann es dennoch wertvolle Anhaltspunkte liefern, mit welchen Herausforderungen in Zukunft zu rechnen sei. So kann zum Beispiel Zoonose RISKTOOL dazu verwendet werden mögliche zukünftige Zoonose-Risikogebieten durch die Kombination des ökologischen Wissens zu Erreger, Vektor und Wirt identifiziert werden. Von diesen Prognosen kann auch der ÖGD profitieren. Die Qualität der Modelle hängt jedoch von der Qualität und der Menge der zur Verfügung stehender Daten ab. Ein weiteres Themenfeld in dem ÖGD und Wissenschaft in Zukunft stärker zusammenarbeiten könnten.

aedes albopictusAbb. 1: Die Stechmücke Aedes albopictus, auch unter dem Namen Asiatische Tiegermücke bekannt, stammt aus den Wäldern Südostasiens und ist als Überträger zahlreicher Erreger bekannt. In den letzten dreißig Jahren konnte sie sich stark verbreiten. Foto: James Gathany, Public Health Image Library (PHIL), pid=2165

risk map aedes albopictus

Abb. 2: (a) Relative klimatische Eignung für die Etablierung von Aedes albopictus in Deutschland und (b) Projiziertes zukünftiges geeignetes Klima für die Etablierung von Aedes albopictus in Deutschland; Quelle: Thomas, S M; Tjaden, N; Frank, C; Jaeschke, A; Zipfel, L; Wagner-Wiening, C; Faber, M; Beierkuhnlein, C; Stark, K: Areas with High Hazard Potential for Autochthonous Transmission of Aedes albopictus-Associated Arboviruses in Germany, International Journal of Environmental Research and Public Health, 15(1270), 1-12 (2018), doi:10.3390/ijerph15061270

Die Gefahren der Zukunft kennen

Als Leiter des Gesundheitsamtes in Frankfurt a. M. konnte Prof. René Gottschalk bereits die ein oder andere Erfahrung mit hochpathogenen Erregern aus dem Ausland machen.  Auch wenn Zoonosen und andere Infektionskrankheiten kein neues Problem für die Menschheit sind, so sehe man sich nun mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Denn die Erderwärmung sorge dafür, dass sich Erreger und Vektoren die aufgrund der Globalisierung in Windeseile um die Welt reisen können, an neuen Orten der Welt etablieren können. Der ÖGD stehe daher häufig vor dem Problem, dass er die Gefahren der Zukunft noch gar nicht kenne. Hier sei ein enger Austausch zwischen ÖGD und Wissenschaft wichtig und wünschenswert, damit der ÖGD Monitoring und Aufklärungsarbeiten Maßnahmen gezielt anwenden könne.

 

air traffic map

Fig. 3: Netzwerk des globalen Flugverkehrs; Quelle: Martin Grandjean

Für die Zukunft sei es zudem wichtig zu verstehen, dass man Deutschland nicht als isolierte Parzelle betrachten könne, sondern dass Infektionskrankheiten ein globales Problem seien, deren Bekämpfung folgerichtig auch nur global angegangen werden könne. Dies wird umso klarer, wenn man in Betracht zieht, dass der Klimawandel die Verbreitung von Erregern verändern wird. Die Vektoren, die heute eine große Rolle in den Tropen spielen, können sich vielleicht schon morgen in nördlicheren Breitengraden ansiedeln und somit auch tropische Erreger dort verbreiten. Spätestens dann sollte klar sein, dass Tropenkrankheiten nicht nur ein Problem der Tropen sind.

Der Workshop verdeutlichte, dass der Klimawandel auch im Hinblick auf Zoonosen große Herausforderungen mit sich bringen wird. Um diese bewältigen zu können bedarf es nicht nur einen Austausch in der Wissenschaft über Fachgrenzen hinweg, sondern auch einen Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichem Gesundheitswesen. Nur so können neue Erkenntnisse aus der Forschung rechtzeitig in Maßnahmen für die Öffentliche Gesundheit übersetzt werden und Vorbereitungen für neue Herausforderungen getroffen werden. Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen wird diesen Austausch weiterhin durch Forschungsprojekte und Veranstaltungen, wie diesen Workshop, unterstützen.

In Teil 2 der Workshopreihe „Klimawandel und Zoonosen“ werden wir uns den West-Nil-Virus widmen. Nähere Informationen zum Teil 2 finden Sie hier.

Text: Dr. Dana A. Thal, Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

Podcastfolge zum Workshop:

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